Taxifahren – Testfahrt Mercedes E350 BlueTEC 4-Matic
Sie wollten schon immer einmal wissen wie das Leben eines Taxifahrers ist?!
Dann nehmen sie Platz hinter dem Sportlenkrad des Mercedes E350 BlueTEC…
Das Gestühl für den forschen Taxifahrer ist bequem, im Schulterbereich jedoch für die breiteren Gesellen teilweise etwas eng geschnitten. Eine Lordosenstütze fehlt leider ebenso, wie eine ausziehbare Schenkelauflage oder aber Seitenhalt. Platz hat so eine E-Klasse aber nicht nur für breitere Fahrer und Beifahrer, sondern auch für die Mitreisenden auf der straffen und gut ausgeformten Rückbank. Beinfreiheit gibt es auch ausreichend für Erwachsene bis 1,80m und zu dritt können es normal gebaute Erwachsene auch mal 2-3Std aushalten ohne größere Beklemmungsgefühle zu bekommen.
Das Reisegepäck der Passagiere passt in den großen, tiefen Kofferraum wunderbar hinein, die Ladeklappe öffnet dank Schraubfedern automatisch und schwingt mit ordentlicher Geschwindigkeit ihrem Anschlagpunkt entgegen. Wer hier nicht aufpasst, setzt hier seine Fahrgäste schnell außer Gefecht…
Die Verarbeitung der Mercedes E-Klasse ist über jeden Zweifel erhaben und die verwendeten Materialien sind vorzüglich. Einzig die Scheibendichtung bei unserem Fahrzeug, an der Fahrertür, sollte Mercedes noch einmal neu verlegen, da sie arg faltig geworden ist nach knapp 3 Monaten …
Woran man schnell merkt, dass die E-Klasse kurz vor ihrer Ablösung steht ist, wenn man sich die mit Tasten übersäte Mittelkonsole ebenso ansieht wie den in den Armaturenträger eingebundenen Monitor. Diesen sucht man leider in den neueren Modellen vergebens.
Das verbaute Comand Navigationssystem ist in seiner Bedienung zwar komplexer als dies der Münchner Konkurrenz, dafür berechnet das System eine Route aktuell doch noch etwas flotter. Die Darstellung im kleinen Bildschirm ist leider auch etwas antik, aber immer noch funktional. Bluetooth findet sich hier ebenso, wie eine USB-Schnittstelle oder ein SD-Speicherkartenleser zur Einbindung von externen Audioquellen.
Die Sprachsteuerung „Linguatronic“ arbeitete erstaunlicher Weise leider nicht zuverlässig im hier gefahrenen Benz. So verstand die gute Dame in 60% der Fälle nicht, wohin es gehen sollte…
Unter der Motorhaube, die bei der Avangarde Ausführung ohne den Zielerfassungsstern daher kommt, werkelt in unserer Taxenkutsche ein für Taxen unübliches Triebwerk. Es handelt sich hier um den 3,0l V6 Turbodiesel mit AddBlue – Einspritzung. Der Motor entwickelt kräftige 258PS und beeindruckende 620Nm an maximalem Drehmoment. Dank dieser strammen Leistung schiebt das Aggregat den E350 in guten 6,6s auf die obligatorischen 100km/h.
Die Laufkultur dieses V6-Triebwerkes ist jedoch gerade für den Taxieinsatz fast optimal. Der Motor springt unauffällig an, läuft unheimlich ruhig und entwickelt keine merklichen Vibrationen im Leerlauf. Im Fahrbetrieb überzeugt der Motor dann weiter mit seiner Flüsterstimme, bis er mit Nachdruck gebeten wird den Vortrieb etwas flotter zu vollziehen. Dann knurrt der V6 angenehm tief, allerdings erhebt er dann auch deutlich wahrnehmbarer seine Stimme. Zudem kommen ab 3.500U/min deutliche Vibrationen zur lauteren Stimme hinzu. Ausdrehen tut das Triebwerk jedoch angenehm sauber und flüssig, allerdings bricht die Leistungskurve ab 4.200U/min extrem schnell und stark ein. Dies ist auch der Zeitpunkt, bei dem die 7G-Tronic spätestens die nächste Fahrstufe einlegt. Einzig im Sport-Programm der Automatik und unter Ausnutzung des Kick-Downs, dreht das Triebwerk bis 4.500U/min aus.
Im Antritt ist der Motor wunderbar, jedoch gibt es hier einen kleinen Wehmutstropfen. Dieser ist das Ansprechverhalten des Motors. Unterhalb von 1.700U/min wirkt der Motor doch etwas müder und genehmigt sich einen kleinen Moment des Aufwachens ehe der Vortriebswunsch des Fahrers umgesetzt wird.
Einen großen Anteil an diesem Gefühl hat aber das Getriebe des Benz. Die 7G-Tronic ist ein bekannt gutes und typisches Mercedes-Getriebe. Es arbeitet unheimlich weich in seinen Schaltvorgängen, ist jedoch auch nicht sonderlich spontan bei der Umsetzung von bestimmten Befehlen. Zwar erkennt das Getriebe schnell, wenn der Fahrer einmal das Gaspedal etwas lupft, woraufhin das Getriebe den nächsten Gang einlegt. Soll es aber einmal schnell von ruhig auf sportlich gehen, braucht die 7G-Tronic stets einige Momente um sich zu sortieren und die richtige Fahrstufe für den Wunsch des Fahrers auszuwählen. Die Hektik lässt das Getriebe dann auch schnell alle spüren, da sie ruckartig ihre Schaltvorgänge vollzieht und nichts mehr von ihrer Weichheit erkennen lässt.
Ebenso arbeitet die 7G-Tronic noch mit zu starkem Wandlereinsatz, so dass es zu einem starken „schleifen“ beim anfahren kommt.
Bei flotter Fahrweise arbeitet das Getriebe gut, braucht aber im Vergleich zur 8-Stufen Automatik vom Getriebespezialist von ZF, immer etwas länger für die Gangwechsel und verfügt über deutlich größere Zugkraftunterbrechungen. Was zudem besonders auffällt ist, dass die 7G-Tronic nicht unter Volllast schalten kann. Es bedarf hier immer erst der Motorsteuerung den Schub zu unterbrechen, damit das Getriebe die nächste Fahrstufe einlegen kann. Dies ist besonders deutlich bei sehr zügiger Fahrweise spürbar und unterstreicht noch einmal den Schmusecharakter des Benz.
Ebenso nachteilig ist das Getriebe im Ansprechverhalten von ruhigem cruisen auf flottes vorankommen. Hier braucht das Getriebe immer eine deutliche Gedenkpause, ehe die Befehle des Fahrers umgesetzt werden.
Wichtig für einen Taxler ist jedoch, dass der Hobel auch bei brutaler Fahrweise nicht nur robust ist, sondern auch wenig Treibstoff verbraucht. Doch wie ist es hier um den V6 im Vergleich zu seinen kleinen 4-Zylinder Brüdern bestellt?!
Erstaunlicher Weise sehr gut! Wer längere Strecken absolviert und Stadtverkehr ebenso wenig nutzt wie Kurzstrecken, der verbraucht in der Tat mit dem V6 kaum mehr, oder sogar etwas weniger Kraftstoff. Einzig bei Kurzstrecken und im Stadtverkehr brauchen die 6 Brennräume einfach mehr Kraftstoff. Kombiniert kam ich auf gut 7,5 l/100km, was gerade in Anbetracht des Allradantriebs sehr beachtlich ist. Ohne den 4-Matic Antrieb dürfte eventuell noch eine sechs vor dem Komma stehen, was für eine solche Reiselimousine erstaunlich wenig ist.
Selbst bei sehr flotter Autobahnhatz überzeugte der Antrieb mit einem Verbrauch, der kaum über die 9l-Marke Dauerhaft zu bringen war. Wer sogar einen grünen Gasfuß hat, konnte sogar Werte unterhalb der 6l-Marke erreichen, was jedoch schon sehr viel Geduld und Ausdauer braucht.
Wie wir nun also wissen, ist eine E-Klasse geräumig und bietet beim E350 einen guten Antrieb. Doch wie fährt sich so ein Taxi denn nun?
Ganz einfach gesagt, entspannt und ruhig. So könnte man es eigentlich stehen lassen, denn im wesentliches ist es genau das.
Aber wir wollen es ja bekanntlich etwas genauer wissen 😉
Das Fahrwerk ist beim Avangarde etwas sportlicher ausgelegt, was eine straffere Feder-Dämpferabstimmung zur Folge hat. Dadurch wird unsere E-Klasse aber nicht zu einer sportlichen Oberklasselimousine, sondern die Karosserie bleibt einfach nur etwas stabiler bei Kurvenfahrt und neigt sich weniger. Das schlimmste ist jedoch, dass dadurch das Fahrwerk gerade beim überfahren von Unebenheiten nicht so recht zum Komfortanspruch passen mag. Während der Elegance sanft über Unebenheiten gleitet, reicht der Avangarde gröbere Unebenheiten mit geringer Filterung an seine Insassen weiter. Besonders Querfugen mag die E-Klasse so nicht mehr zu überlaufen. Trocken werden dann Stöße an Sitze und Lenkrad verteilt ebenso lässt man den Fahrer akustisch auch noch einmal an dieser Fuge teilhaben.
Verstärkt wird der Eindruck durch den verbauten 4-Matic genannten Allradantrieb. Denn während bei den Heck angetriebenen E-Klassen nur die Hinterachse die Stöße bei der sportlichen Fahrwerksabstimmung weiter gibt, kommt beim 4-Matic noch die Vorderachse hinzu. Dies macht sich insbesondere bei den angesprochenen Querfugen deutlich bemerkbar, da die Stöße spürbar in die Lenksäule geleitet werden.
Sportliche Fahrweisen wollen mit der E-Klasse auch nicht so recht zu unserem Taxi passen. Trotz der sportlicheren Abstimmung, neigt sich die Karosserie bei schnell gefahrenen Kurven noch deutlich und schiebt frühzeitig über die Vorderachse zum Kurvenrand. Durch den Allradantrieb wird diese Untersteuerneigung noch einmal verstärkt und kann auf schneebedeckten Fahrbahnen schnell für unschöne Rutschpartien sorgen. Erst mit einem gezielten und provozierenden Gasstoß mit eingeschränktem ESP ist es hier möglich, den E350 auf einen anderen, richtigen Kurs zu bringen.
Eine E-Klasse quer durch eine Kurve zu fahren, würde natürlich einer Gotteslästerung gleich kommen und aus diesem Grund haben wohl auch die Ingenieure aus Stuttgart das ESP so eingestellt, dass es nie komplett deaktiviert werden kann (Ausnahme AMG-Modelle). Dies führt dazu, dass gerade auf winterlichen Straßen ein Kampf zwischen versiertem Fahrer und der Elektronik statt findet, bei dem die Elektronik doch meist gewinnt, in dem sie die Leistung extrem stark drosselt.
Ein weiterer Punkt, der für eine komfortorientierte Auslegung spricht, ist die Lenkung. Diese ist schwammig und indirekt ausgelegt und bietet kaum Rückmeldung an den Fahrer. In der Stadt und bei ruhiger Fahrweise ist sie entspannend leichtgängig und sorgt auf der Autobahn für einen tollen Geradeauslauf. Wer jedoch auf verwinkelten Straßen zügiger vorankommen möchte wird hier nicht nur vom ESP sondern auch durch die verzögert ansprechende Lenkung in seiner Arbeit eingeschränkt.
Was den Allradantrieb 4-Matic angeht, so stellt sich mir persönlich die Frage, wer diesen wirklich benötigt. Selbst auch stark verschneiten und vereisten Straßen konnte das Allradsystem querdynamisch keine Vorteile verbuchen gegenüber dem Heckantrieb. Er war sogar eher ungünstiger, da er ein stärkeres Untersteuern in Kurven scheinbar begünstigte.
Leider ist die Kraftverteilung nicht so variabel gestaltet, dass hier aktiver von der Elektronik eingegriffen wird.
Einziger, wahrer Vorteil des 4-Matic ist und bleibt die hervorragende Traktion. Egal auf welchem Untergrund, der E350 4-Matic konnte immer optimal seine Kraft in Vortrieb umsetzen. Selbst auf völlig vereisten Straßen, war ein gutes und zügiges Anfahren problemlos machbar.
So bleibt also am Ende ein Fahrzeug, welches beim hineinsetzen schon Ruhe und Entspannung vermittelt. Dies beschreibt auch den eigentlichen Charakter der E-Klasse. Ruhe, Sicherheit und entspanntes Reisen stehen einfach hoch im Kurs. Schnelles Reisen ist nur auf der Autobahn möglich, da hier besonders der tolle Geradeauslauf, die gute Geräuschdämmung und der kräftige Motor ihre Pluspunkte ausspielen können.
Solltet ihr jetzt mit dem Gedanken spielen euch eine E-Klasse zu zulegen, so sind noch ein paar Dinge an Ausstattung wärmstens zu empfehlen. Denn nur so könnt ihr wirklich in die kompletten Vorzüge dieser exzellenten Langstrecken Reiselimousine kommen:
- Distronic PLUS => Abstandsregeltempomat
- Multikontursitz
- Airmatic Luftfahrwerk
Hier noch die technischen Daten der getesteten Mercedes E350 BlueTEC 4-Matic Limousine:
Farbe: | Tenoritgrau metallic |
EZ: | 11 / 2014 |
Gefahrene Strecke: | 4.127 km |
km-Stand: | 18.933 km (Abgabe) |
Streckenprofil: | 10% Kurzstrecke, Stadt // 50% BAB 160-180km/h // 40% Überland |
Verbrauch: | 7,5 l/100km |
Leistung: | 258PS // 620Nm |
Motor: | 3,0l V6 Turbodiesel |
0 – 100km/h: | 6,6 s |
Topspeed: | 250 km/h |
Listenspreis: | 72.575 € |
[…] Test ? Mercedes E350 BlueTEC 4-Matic, gefunden bei ubi-testet.de (0.3 Buzz-Faktor) […]
Postest du gar keine Berichte mehr im MWT? 🙁
Doch, im MWT werden auch weiterhin ab und an Berichte kommen. Aber der MWT wollte nicht unbedingt meine Berichte. Also werden es wohl leider weniger im dortigen Bord.
Danke für die zügige Antwort! Natürlich freut sich der MWT über jeden deiner Berichte :). Viel Erfolg weiterhin mit deinem Blog!