Die 70er Jahre waren eine wilde und freiheitlich geprägte Zeit. Zumindest wurde mir dies so aus Erzählungen überbracht, denn da war ich noch lange nicht auf der Welt mit meinem jugendlichen Jahrgang 1983.
Doch vor wenigen Tagen hatte ich dank Volkswagen einen kurzen Live-Eindruck aus dieser Zeit.
Bei der Fahrvorstellung zum neuen VW Beetle Dune hatte der Hersteller zwei Strandbuggys aus den 70er Jahren mitgebracht.
Selbstverständlich waren die Autos durch Volkswagen Classic hervorragend hergerichtet und zu Recht mit einem H-Kennzeichen versehen.
Als ich den Zündschlüssel für den leuchtend orange lackierten Apal Buggy “Jet” erhielt gingen mir viele Gedanken durch den Kopf (kann ich sowas fahren? Muss ich auf etwas besonderes achten?). Doch diese waren schnell wie weggeblasen als ich vor dem, einzig als Bausatz (!!) erhältlichen, Buggy stand.
Schnell tat sich ein erstes Problem auf:
“Himmel, wie komm ich da bitte rein… ?!”
Tja, früher müssen die Leute wohl sportlicher und schlanker gewesen sein. Es braucht schon eine gewisse Akrobatik um sich in die Kanzel unter der Stoffmütze zu falten. Doch nach 2 erfolglosen Versuchen schaffte ich es doch in die mit Leder bezogenen Sitzschalen.
Gut, das wäre also geschafft. Nun also erstmal einrichten und alles einstellen.
Nur was soll ich hier bitte einstellen? Sitz vor und zurück geht und mehr auch nicht. Den Beckengurt konnte ich noch auf mein stattliches Bäuchlein anpassen, dann war aber Schluss. Puristisch eben.
Genauso reduziert sieht es auch innen aus. Einzelne verstreute Schalter, aber Luxus fehlt hier selbstverständlich komplett. Den braucht und will hier schließlich auch keiner, nur das (damals) gesetzlich Notwendige und gut ist es.
Eine stehende Pedalerie, der Schalthebel des 4-Gang Getriebes wurde hier mit dem Golfball aus dem Golf I GTI der 1. Generation als Besonderheit veredelt. Mit ausgestrecktem Arm wird der 1. Gang eingelegt und dann lassen wir das Monster im Heck zum Leben erwecken.
Kurzes Orgeln, begleitet von ein klein wenig Gas und schon springt der 1,6 l 4-Zylinder Boxermotor im Heck an.
Aber hallo liebe Leute! Das ist ein geiler Sound. Fahrer oder Besitzer eines VW Käfer wissen was ich meine!
Rasseln, schnaufen und trompeten. Eine absolut einzigartige Klangmischung, die jeder sofort erkennt.
So, jetzt aber sachte die Kupplung kommen lassen und mit leichtem Schleifen anfahren. Die Hände fest am kleinen Lederlenkrad haltend, beginne ich eine Rechtskurve einzuleiten. Schnell kommt die nächste Erkenntnis kraftvoll zu tragen. Es gibt nämlich keine Servolenkung! Ja, liebe Leser jüngeren Semesters, so etwas gab es. Das Fitnessstudio jedenfalls ist dann bei häufigem Stadtverkehr schnell überflüssig und die Muckis bauen sich von alleine auf.
Gut, erste Kurve geschafft. Rauf auf die Straße und sanft beschleunigen. Der Boxermotor mit seinen 85 PS hängt erstaunlich gut am Gas und je weiter Gaspedal gedrückt wird und je höher die Drehzahl akustisch kommt, umso mehr schiebt der Motor an. Fast schon energisch und untermalt von diesem eindringlichen Boxersound geht es voran. Zugig und luftig, dank fehlender Türen, geht es bereits ab 60km/h zu.
Kaum habe ich erste Fahrt aufgenommen, muss ich auch schon wieder bremsen.
Ähm ja. Wo ist sie denn die Bremswirkung. Immer tiefer wird das Pedal gedrückt ehe gefühlt kurz vor dem Bodenblech Bremsdruck vorhanden ist. Auch hier wieder die Erkenntnis, dass es bei diesen Fahrzeugen eben kein Netz oder doppelten Boden in Sachen Sicherheit gibt. ABS oder ein Bremskraftverstärker sind hier nicht zu finden. Dadurch heisst es vorausschauend zu fahren und so unnötiges Bremsen zu vermeiden.
Unvermeidlich ist beim 1,6er das Schalten und das will ebenfalls gelernt sein. Die Führung des langen Hebels ist etwas unpräzise und erfordert Eingewöhnung. Schnell hat man sich daran gewöhnt und weiß auch, dass hin und wieder der ein oder andere Zwischengasstoß dem erfolgreichen Schaltvorgang dienlich ist.
Herrlich! Hier bist du noch Herr hinter dem Lenkrad und spürst alles, was das Fahrzeug will und tut.
Während ich durch die Gegend fahre, merke ich nicht, wie ich mich versehentlich auf einen Autobahnabschnitt verirre.
Leistungstechnisch ist dies kein Problem, denn der Apal Buggy läuft bis zu 145km/h Spitze, doch will ich das? Nein, denn erstens ist es ziemlich kalt und zweitens auch ein ungewohntes Auto.
Gut, aber rumschleichen will ich hier auch nicht. Also Mut zusammen nehmen, Kragen aufstellen und rauf aufs Gas. Im 3. Gang marschiert der knapp 1.000kg wiegende Buggy voran. Der 4. Gang und schon zeigt die Tachonadel 120km/h an. Das Verdeck flattert und ich fühle mich auch etwas unwohl. Also nächste Ausfahrt raus und wieder dem Sound des Boxers bei 60-80km/h lauschen. So cruised es sich wunderbar über die holländischen Landstraßen und dank der offenen Karosseriekonstruktion weht mir die salzhaltige Meeresluft um die Ohren. Da ist es, das Gefühl frei zu sein und unkontrolliert zu tun was ich gerade möchte. Jetzt spüre ich wie sich die Leute gefühlt haben müssen, die eben einen solchen Buggy hatten. Ich beneide sie. Gerne würde ich auch wieder ein solch puristisches Fahrzeug besitzen wollen.
Nach der Ankunft vor dem Beach-Club falte ich mich etwas kompliziert aus dem Apal Buggy und bin einfach nur begeistert. Die Schlüsselabgabe ist geprägt von Dank. Dem Dank darüber einen Ritt in die Vergangenheit begehen zu dürfen. Ebenso ist es ein Dank die Freiheit von damals gespürt zu haben…
So, jetzt dürft ihr auch mit einsteigen in die kleine Zeitmaschine:
Quelle Fotos: Volkswagen AG
[…] Eine Reise in die 70er Jahre ? Die Fahrt im VW Standbuggy Apal ?Jet?, gefunden bei ubi-testet.de (0.9 Buzz-Faktor) […]