Testbericht – Jaguar F-Type Cabrio

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Karosserie / Innenraum:
Jaguar, eine britische Firma mit langer Tradition. Diese Tradition beinhaltet viele bekannte und schöne Sportwagen. Doch leider schien diese Tradition unter dem amerikanischen Regiment der damaligen Mutter Ford stark gelitten zu haben. So gab es viele Fehlentscheidungen, da man versuchte aus den bekannten Bauelementen des Mutterkonzerns Fahrzeuge zu konstruieren, die auch qualitativ nicht das erwartet hohe Niveau der typischen Jaguarkundschaft befriedigen konnte.
Doch im Jahre 2007 wurde Jaguar mit LandRover zusammen verkauft an die indische Firma TATA. Seit diesem Verkauf scheint die Marke sich langsam aber stetig zu erholen und das angekratzte Image wieder auf zu polieren. Doch es fehlte bislang ein richtiger Sportwagen wie der legendäre E-Type und so erblickte im Jahre 2013 der F-Type das Licht der Welt und sollte die britische Traditionsmarke wieder im Sportwagenbau ankommen lassen.IMG_2558

Mit dem F-Type schafften die Designer ein wahrhaft traumhaftes Fahrzeug, welches perfekte Roadster Elemente wie lange Motorhaube, großer Radstand und kurze Karosserieüberhänge beinhaltet. Die Front ist etwas angehaucht von Aston Martin, während das Heck Elemente des klassichen E-Type mit den schmalen und lang gezogenen Rückleuchten aufgreift. So ist besonders das Heck mit eben diesen Rückleuchten und den riesigen, mittig angeordneten Auspuffendrohren ein absolutes Highlight.
Im Interieur erwartet die Besitzer ein klar strukturierter Arbeitsplatz, der sehr übersichtlich ist und keine Rätsel aufgibt. Alles wirkt sauber zusammen gesetzt und die verwendeten Materialien sind hochwertig mit guter Haptik. Das Seriengestühl ist straff gepolstert und bietet einen guten Seitenhalt. Der Langstreckenkomfort könnte aber etwas besser sein, denn bereits nach 4Std Fahrzeit zwickte es doch etwas im Rücken. Zudem wäre eine ausziehbare Schenkelauflage wünschenswert für größere Personen. Eine passende Sitzposition findet jeder hinter dem elektrisch verstellbaren Sportlenkrad, welches etwas zu breite Speichen besitzt um einen besseren Griff zu haben.
IMG_2584Die Platzverhältnisse sind ausreichend und eng, wie man es für einen solchen Sportwagen erwartet. Der Kofferraum hingegen ist nur ein besseres Handschuhfach. Mit weniger als 200l Stauvolumen, passen gerade einmal ein Rücksack und eine Reisetasche samt zweier, leichter Jacken hinein. Wichtig ist jedoch, dass sich nichts im Kofferraum befindet, dass Wärme nicht verträgt. Grund hierfür ist, dass die Abgasanlage scheinbar eine zu große Hitzeentwicklung hat und dadurch den Kofferraum in eine kleine Sauna verwandelt. Das klassische Stoffverdeck, danke liebe Designer, dass ihr euch gegen eine Blechmütze entschieden habt, ist super schnell (ca 7-10s) geöffnet und auch wieder geschlossen bis zu einem maximalen Tempo von 50km/h.
Windgeräusche bei geschlossenem Verdeck sind bis 200km/h auf leicht erhöhtem Coupé-Niveau und deutlich ruhiger als beispielsweise ein BMW Z4 …
Der Frischluftgenuss kommt beim F-Type aus nicht zu kurz. So wirbelt es zum einen die Frisur kräftig durcheinander, auch wenn die Fenster geschlossen sind und das aufpreispflichtige Windschott montiert ist. Zum anderen ist dafür der tolle Klang des V6-Motors verantwortlich. Dieser sorgt auch dafür, dass man das verbaute Seriensoundsystem gerne still legt. Aber auch sonst glänzt es nicht mit sonderlich guter Klangqualität und somit bleibt hier nur entweder mehr Geld zu investieren oder aber das Radio einfach aus zu lassen.IMG_2577
Im Infotainmentbereich hat Jaguar sein bekanntes System leicht verbessert und es mit Direktwahltasten am Monitor ausgerüstet. Der Touchscreen reagiert wunderbar, die Zielführung könnte aber etwas genauer sein und ansonsten ist das System auch nicht immer logisch in seiner Bedienung aufgebaut. Bluetooth besitzt der Jaguar natürlich auch gegen Aufpreis und dieses arbeitet tadellos auch beim streamen von Musik mittels Mobiltelefon.
Zu den Extras für den leichteren Umgang im Alltag gesellen sich in diesem Jaguar neben den Einparkhilfen vorn und hinten (absolut notwendig), noch eine gute Rückfahrkamera. Das Bild ist stets gut, auch wenn die Kamera im Spritzwasserbereich am Heck montiert ist.

Motor / Getriebe:
Unter der langen, nach vorne öffnenden Motorhaube, verbirgt sich ein 3,0l V6 Motor, der mittels Kompressoraufladung in seiner Basisauslegung 340PS und bärige 450Nm entwickelt.
Beim starten deutet der Motor schon an, dass hier kein Leisetreter arbeitet. So startet der Motor beim Kaltstart mit einem lauten aufschreien, was schnell alle Blicke der umstehenden Personen auf sich zieht oder aber die Wände der heimischen Sammel-Tiefgarage zum erzittern bringt während es dem Fahrer die Charmesröte ins Gesicht treibt, gefolgt vom ersten Grinsen des Tages. Schnell läuft der Motor dann jedoch ruhig und fast vibrationsfrei vor sich hin.IMG_2571
Automatikstick also auf D und langsam los rollen. Der Motor nimmt auch im kalten Zustand sauber Gas an und dreht schon jetzt willig bis ~3.500U/min, ehe die 8-Stufen Automatik von ZF die nächste Fahrstufe fast unmerklich einlegt.
Hat der Motor einmal Betriebstemperatur erreicht kann man ihn auch etwas mehr fordern und stellt schnell fest, dass die Leistung zwar vollkommen ausreichend ist, man aber bemerkt, dass hier noch mehr möglich wäre. Dies liegt wohl daran, dass Jaguar aus dem gleichen Triebwerk im “F-Type S” 40PS mehr rausholt. So dreht der Motor zwar sauber bis an den Begrenzer heran, steigert aber seine Leistung zum Drehzahlzenit hin nur unmerklich. Es ist viel mehr eine homogene und Saugmotor ähnliche Abstimmung, die man hier für diesen Motor gewählt hat. Sie passt aber insgesamt sehr gut zum Einstiegsmodell des F-Type.
IMG_2575So beweist das Triebwerk einen hohen Alltagswert und weiß zu gefallen, auch wenn bei starkem Leistungsabruf ruhig etwas mehr Biss zu spüren sein dürfte. Negativ fällt der Motor jedoch unterhalb von 2.000U/min auf, da er hier spürbar in ein kleines Loch fällt und kaum Kraft aufweist. Hier scheint der Kompressor noch keinen Einfluss auf die Kraftquelle aus zu üben und so bleibt der Automatik nichts anderes übrig als frühzeitig eine Fahrstufe herunter zu schalten.
Dies führt dann hin und wieder dazu, dass die ansonsten perfekte Schalteinheit hier etwas hektischer wirkt im Alltag. Weiterhin weiß das Getriebe jedoch mit schnellen Schaltvorgängen ohne merkliche Zugkraftunterbrechung ebenso zu gefallen, wie mit einer schönen Spreizung aller 8 Fahrstufen. So senken die letzten beiden Gänge die Drehzahl auf ein wunderbar niedriges Niveau, was zum einen spritsparend ist und zum anderen auch für einen niedrigen Geräuschpegel auf der Autobahn sorgt.
Doch all diese Vorzüge von Motor und Getriebe treten etwas ins Hintertreffen, wenn man dem Sound der Sportabgasanlage lauscht …
Hier wird nicht ein Sound mittels Lautsprecher generiert, sondern von einer zweiflutigen Klappenauspuffanlage produziert. Gegen einen happigen Aufpreis von 1.900€ kann der Kunde ein besonderes Klangerlebnis für sein Kätzchen erwerben und dies sollte er auch unbedingt tun! Dieses beinhaltet einen unscheinbaren Knopf in der Mittelkonsole, welche die beiden Endrohre abbildet.
Ist der Knopf inaktiv, säuselt der Motor mit sonorem 6-Zylinder Klang vor sich hin und durch das Drehzahlband. Dezent aber angenehm präsent ist hier schon ein tolles Klangerlebnis für die Insassen und das nahe Umfeld wahrnehmbar.IMG_2573
Doch wehe dem, der den unscheinbaren Knopf betätigt und damit den Befehl gibt aus dem Stubentiger eine Raubkatze zu machen … Einfach nur Wahnsinn was diese Anlage dann da hinten posaunt! Hier wird eine Komposition aus rotzen, bellen, grummeln, rülpsen und schreien kreiert, dass der Fahrer aus einem Dauergrinsen nicht mehr heraus kommt und sich die gesamte Ortschaft suchend umsieht! Also Achtung für alle die nicht auffallen wollen, bitte nehmt von diesem Kopf Abstand. Allen anderen sei hier geraten ihn zu aktivieren und sich einfach nur über die Ausschüttung von Glückshormonen in dauerhaft hoher Dosierung zu erfreuen!
Dieses Fahrzeug müsste eigentlich von der Krankenkasse als Mittel gegen sämtliche Probleme wie Stress, Depressionen oder aber Frust eingesetzt werden! Ständig ist man am rumspielen mit den Schaltpaddels um sich ein neues Lied zusammen zu komponieren. Dies muss man einfach live erlebt haben, um zu verstehen was hiermit gemeint ist. Ich für meinen Teil war selten so angetan von einem Sound wie hier. Einzig der BMW M3 E92 hatte mich hier noch etwas mehr erfreut, doch dieser V8 ist leider tot und könnte höchstens vom V8 Kompressor im Jaguar F-Type geschlagen werden …
Doch was müsste die Krankenkasse denn zahlen für den Sprit?! Ich selbst habe mit einigen Testfahrern an Bord der Katze und der sportlichen Fahrt auf den ein oder anderen Bergpass sehr annehmbare 11,2 l/100km verbraucht. Wer den Wagen im Alltag normal bewegt, der sollte mit Werten von ~10l locker auskommen. Also bleibt die Katze auch hier sportlich schlank und ist nicht verfressen wie Garfield wenn er eine Lasagne sieht.
Fahreigenschaften:
Da jedoch das Exterieurdesign und die Soundkomposition nicht alles im Leben eines Sportwagens ist, kommt natürlich auch schon die Frage auf, was die Wildkatze im Fahrbetrieb noch so drauf hat. Ist sie eher Stubentiger, eigenwillige Streunerkatze oder eine richtige Raubkatze … ?!
Im Alltag zeigt der F-Type wie sanft der Jaguar mit seinen riesigen Tatzen über den Asphalt schleicht. Erstaunlich gut filtert die Federung Unebenheiten weg und reicht nur üble Löcher an seine Insassen weiter. Ansonsten spricht die Federung angenehm sanft an und weiß im Alltag zu gefallen. Die sanft schaltende Automatik beruhigt hier zudem und wenn besagter Glücksknopf nicht aktiv ist, klingt er auch angenehm zurückhaltend. So rollt der Besitzer beruhigt durch den Stadtverkehr und nimmt dann im Stopp&Go Verkehr schnell die Start-Stopp-Automatik war, die sehr feinfühlig arbeitet und absolut unauffällig ihren Dienst verrichtet.IMG_2568
Ist man aber mal aus dem Großstadtrevier der Hauskatze heraus und begibt sich auf die Jagd, so schärft der Fahrer seine Mietze einfach kurz mittels Fahrdynamikschalters auf Dynamic an, legt den Automatikstick auf Stufe “S” und schon springt mutiert die Hauskatze zum Raubtier. Die Dämpfer sind nicht adaptiv und so bleibt zwar der Federungskomfort stets gut, aber ohne dabei Sportlichkeit vermissen zu lassen. Dank langem Radstand liegt der Jaguar ruhig auf der Bahn und die breiten Reifen bieten optimale Seitenführung. Dank des tiefen Schwerpunktes und der direkten Lenkung lässt sich der breite Jaguar sauber durch Kurven dirigieren. Erst wenn die Kurven zu Haarnadeln werden, spürt man am Lenkrad eine leichte Unhandlichkeit. Doch wer Kurven wedeln will, der kommt im Jaguar absolut auf seinen Genuss.
Der Grenzbereich liegt extrem hoch und wenn man es einmal übertreibt schiebt er sanft zum Kurvenrand hinweg. Selbst auf nasser Straße baut der F-Type ein sehr hohes Grip-Niveau auf, sollte dann aber für ungeübte Hände an der Leine des ESP belassen werden. Alle die sich mit der Wildkatze sehr gut verstehen, können auf nasser Straße aber schnell ein gutmütiges Fahrverhalten erleben, welches sich auch leicht über dem Grenzbereich gut beherrschen lässt. Auf trockener Piste hingegen bietet der kleinste F-Type nur dann ein auskeilendes Heckteil, wenn man ihn brutal dazu zwingt, was im normalen Straßenverkehr sicherlich nicht möglich ist ohne Gefährdung des Verkehrs.
IMG_2646Die von Jaguar verbaute Lenkung bietet einen durchaus guten Kompromiss aus erhöhter Lenkkraftunterstützung im Alltag und ausreichender Straffheit bei aktivem Dynamic-Modus. Sie spricht auch sehr direkt an und bietet geringe Lenkwinkel, aber leider fehlt es insgesamt doch etwas an Rückmeldung. Zudem wäre ein etwas griffigeres Sportlenkrad mit kleineren Speichen noch ein Wunsch von ambitionierten Fahrern.
Soweit also alles gut mit dem Kätzchen?! Ja, doch haben die Ingenieure und Desginer wohl eines vergessen => Wo parkt man mit dem Kätzchen normalerweise?! Richtig in einer Tiefgarage oder einem Parkhaus! Genau hier bietet der Jaguar jedoch ein großes Problem. Der liegt so tief, dass die Spoilerlippe unterhalb der Frontschürze schon bei kleineren Rampen schnell aufsetzt und am Boden aufschlägt! Eine etwas zu spitze Rampenauffahrt oder aber ein etwas zu hoher Bordstein können hier schnell zu unüberwindbaren Hindernissen werden für den F-Type!
Fazit:
Ist Jaguar nun ein Aufleben des alten E-Typs gelungen oder nicht?!
Ein ganz klares JA! Dieser Jaguar macht absolut Laune, sieht rattenscharf aus und bietet einen Gänsehaut Sound dank Klappenauspuffanlage ab Werk. Die Leistung ist für ein Basismodell mehr als ausreichend und die neidischen Blicke aller Leute sind einem mit dem Jaguar absolut sicher. Er ist vielleicht nicht der beste Sportwagen in seiner Klasse, hat aber sicherlich den stärksten Charakter und trägt in seiner Karosserie die Gene des Jaguar E-Type. Genau dieses Herz macht den Jaguar so besonders und für die Marke unheimlich wichtig.
Danke Jaguar und danke TATA, dass ihr die Marke wieder kräftig aufleben lasst!

Hier gibts noch was auf die Ohren:

Technische Daten zum Testwagen Jaguar F-Type:

Motor 3,0l V6 Kompressor
Leistung 340PS // 450Nm
0 – 100km/h 5,3 s
Vmax 260km/h
Verbrauch 11,2 l/100km
Testwagenpreis 89.900€

 

Und hier noch ein paar weitere Bilder zum wunderschönen F-Type:

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Comment (1)

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