Heute geht es mal nicht über Sinn oder Unsinn von SUVs, sondern quasi um DAS Kompakt-SUV – den VW Tiguan.
In seiner 2. Generation ist er bereits seit 2016 auf dem Markt und begeistert sowohl jung wie alt, Single wie Familie. Was ist dran am VW Tiguan und taugt er für eine Familie? Das will ich heute klären in diesem Praxistest.
Optisch fällt der hier zum Test angetretene VW Tiguan 1.5 TSI als Sondermodell „JOIN“ mit seiner edlen Lackierung in Ruby Rot metallic auf. Die hier aufgezogenen 19 Zoll Leichtmetallräder wirken fast wie Serienräder und nicht wie die zweit-größte Felgendimension, die ab Werk bestellbar ist (Serie sind 17 Zoll). Grund hierfür sind die riesigen Radhäuser, welche durch angebaute Kunststoffteile noch größer wirken. Zudem sorgen diese für den bei SUV beliebten Offroad-Charakter, wie auch sonst die schwarzen Kunststoffteile im unteren Bereich rund um die Karosserie. An der Front sorgen Chromelemente an Scheinwerfern und Kühlergrill für ein breiteres Erscheinungsbild des Tiguan. Am Heck fügen sich die, hinter dunkelrotem Plastik verborgenen, LED Rückleuchten stimmig ins Blechkleid ein. Designtechnische Highlights sucht man beim VW Tiguan zwar vergebens, dennoch wirkt der Wagen insgesamt stimmig und einem SUV seiner Klasse würdig.
Im Innenraum setzt sich die „keine Risiken“ Taktik weiter fort. Alles befindet sich am rechten Platz, ist intuitiv zu bedienen und Rätsel gibt hier höchstens der fehlende Lautstärkenregler am 9,2 Zoll großen Discover Pro System auf. Das volldigitale Kombiinstrument (Active Info Display genannt) bietet eine hohe Anzeigevielfalt und ist hervorragend ablesbar. Einzig mit dem hier verbauten Head-Up Display konnte ich mich nicht so recht anfreunden. Die zum Fahrer geneigte Plexiglasscheibe sorgt für Irritation beim Fahrerauge und auch die Anzeige selbst, die wenig hochauflösend in ihrer Darstellung ist verglichen mit anderen Systemen im Mitbewerberfeld. Die bequemen Sitze mit manueller Lordosenstütze sind auf langen Reisen ein Segen für den Rücken. Aus ihnen steigst du selbst nach über 600 km am Stück schmerzfrei und entspannt aus. Überhaupt gibt es im Innenraum kaum etwas zu bemängeln. Einmal mehr wirkt der der VW Tiguan zu perfekt, was sich in einer tollen Materialwahl und guter Verarbeitung weiter bekräftigt.
Als Familienvater kommt es mir natürlich im Besonderen auf gute Platzverhältnisse, einen großen Kofferraum sowie praktische Details für ein entspanntes Reisen mit Kindern an.
Also schauen wir mal, was der VW Tiguan so zu bieten hat. Familienfreund oder doch Single for Life?!
Platz findet sich im VW Tiguan mehr als ausreichend für vier Personen. Sowohl vorne als auch auf der verschiebbaren Rücksitzbank findet man genügend Platz. Dank großer Türausschnitte im Fond können selbst sperrige Kindersitze auf die Rückbank verfrachtet werden. Die beiden ISOFIX-Haken auf den Außenpositionen liegen frei zugänglich im Polster und sind von fixen Schächten umrandet. Den Top Teather erreicht man nur über den Kofferraum und mit geöffneter Hutablage, was die Befestigung erschwert. Dank manueller Lehnenneigung Verstellung und ausreichend ausziehbaren Kopfstützen auf der Rückbank, sitzt jeder Kindersitz perfekt und sicher für die Fahrt. Reboarder Kindersitze können dank ausreichend Beinraum selbst hinter dem Fahrersitz gut untergebracht werden (bei Fahrern bis 1,85m).
Für Eltern, die ihren Nachwuchs gerne auf dem Beifahrersitz haben sei gesagt, dass der Beifahrerairbag zwar mittels Fahrzeugschlüssel deaktivier bar ist, aber ISOFIX Haken nicht vorhanden sind.
Da Kinder längere Fahrten kaum ohne Beschäftigung überstehen, sollte natürlich auch an eine Versorgung des Nachwuchses gedacht werden. Hier bietet Volkswagen optional aufklappbare Tische, die äußerst stabil sind und einen ausziehbaren Becherhalter bieten. Eine sehr coole Sache! Die Stromversorgung eines Tablets oder Videomonitors hingegen müssen Mama oder Papa mit Hilfe eines einzigen USB-Anschlusses in der Mittelkonsole bewerkstelligen. Hier wäre eine zweite USB-Buchse sehr wünschenswert …
Ein weiteres Manko für den Familieneinsatz ist, dass es für den VW Tiguan zwar eine Sonnenschutzverglasung für die Fondscheiben gibt, aber leider keine Sonnenschutzrollos. Wer also für ausreichenden Sonnenschutz im Fond sorgen will, muss sich wohl oder übel im Zubehörhandel nachrüstbare Lösungen zulegen.
Sind die Kinder im Auto sicher untergebracht, muss natürlich auch das Gepäck für alle verstaut werden. Hier bietet der Tiguan ein großzügiges Gepäckabteil, welches jedoch von einer sperrigen Hutablage vor Blicken geschützt wird. In meinen Augen ein No-Go, zumal sich keine Möglichkeit bietet, die Hutablage im Fahrzeug zu verstauen. Ich würde mir ein Laderaumrollo ähnlich dem VW Golf Variant wünschen, welches sich bei Nicht-Gebrauch im Laderaumboden verstauen lässt.
Hat man sich an die unpraktische Hutablage gewöhnt, stellt man schnell fest, dass der Laderaum trotz hoher Ladekante sehr gut nutzbar ist. Kinderwagen + Reisegepäck für 4 Personen sind kein Problem für den, der sich im Tetris-Spielen auskennt und den vorhandenen Stauraum optimal zu nutzen weiß. Wer dabei über die Höhe der Rücksitzlehne hinaus bauen will, der sollte nicht vergessen das stabile Gepäckraumtrennnetz ab Werk zu ordern. Denn nur so kann die Laderaumhöhe sicher und auch komplett ausgenutzt werden.
Haben wir alles sicher verstaut, geht die Reise im VW Tiguan auch schon los. Unter der Haube unseres Testwagens steckt ein 1,5 Liter großer 4-Zylinder Turbobenziner mit 150 Pferdchen und maximalen 250 Nm Drehmoment. Laut Werk soll der rund 1,6 Tonnen schwere Tiguan dank schnell schaltendem 7-Stufen Doppelkupplungsgetriebe in 9,2 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen. Mit maximal 200 km/h kann dann, wenn‘s mal pressiert, die nächste Autobahnraststätte für den „Pippi-Stopp“ angefahren werden.
Auf meiner 2.000 km Teststrecke erwies sich der kleine Benziner als ein sehr passendes Triebwerk. Er arbeitet im Normalfall sehr ruhig und wird erst beim Abrufen der vollen Leistung etwas knurrig und im oberen Drehzahlbereich zäh in seiner Leistungsentfaltung. Lässt man den Motor stets im mittleren Drehzahlbereich werkeln und das 7-Gang DSG die Fahrstufen selbstständig wechseln, harmoniert alles sehr gut. Das zum Spirt-Sparen zwei von vier Zylindern abgeschaltet werden, merkt man ebenso wenig, die das entspannte Segeln bei längeren Rollphasen. Unschön im Kurzstreckenbetrieb hingegen ist, dass unser DSG bis zum Erreichen der Betriebstemperatur (etwa 10km) die Gänge nur verzögert wechselt und auch das Anfahren mit verzögertem Kraftschluss erfolgt. Gewöhnt man sich daran, dann ist die Kombination aus 1,5 TSI und 7-Gang DSG wirklich gelungen. Genauso gelungen ist auch die Wirtschaftlichkeit dieser Antriebskombination. Bei hohem Autobahnanteil mit Reisetempo 140-150 km/h begnügte sich der VW Tiguan mit knapp über 8 l/100km. In Anbetracht von Gewicht, Luftwiderstand und Tempo ein echt guter Wert, den man im Alltag aber leicht unterbieten kann. Nur bei extremem Kurzstreckeneinsatz, wenn weder Motor noch Getriebe ihre Betriebstemperaturen erreichen, solle man sich auch mal auf zweistellige Verbrauchswerte einstellen.
Einstellen kann man bei unserem gefahren Tiguan auch das Fahrwerk mittels adaptiver Fahrwerksregulierung (DCC). Genau dieses Extra erwies sich auf Reisen als echtes Highlight! Wer sich aus optischen Gründen große Felgen gönnt, leidet bekanntlich gerne etwas im Bereich des Federungskomforts. Da unser VW Tiguan mit Aufpreis pflichtigen, hübschen 19 Zoll Rädern „Auckland“ ausgerüstet ist, war ich um das DCC sehr dankbar. Denn in Stellung „Comfort“ werden die Dämpfer in der Stellung so perfekt eingestellt, dass selbst üble Flickenteppiche den schlafenden Nachwuchs nicht wecken können. Anders herum sorgt die „Dynamik“ Stellung bei Papa auf alleiniger Fahrt für so etwas wie Fahrspaß. Dann liegt der Tiguan straff und ohne große Seitenneigung auf der Straße und durcheilt Kurven äußerst flott. Mit einem Tastendruck an der Mode-Taste stellen sich aber nicht nur die Dämpfer auf den jeweiligen Fahrerwunsch ein, sondern auch Lenkung und Antrieb. Ich selbst habe mir ja dank des „Individual“ Modus selbst einen passenden Mix aus Dämpfer, Antrieb & Lenkung zusammengestellt für die tägliche Fahrt.
Aber nicht nur die adaptiven Dämpfer haben mir das Fahren im Tiguan besonders erfreulich gestaltet, sondern auch noch ein besonderes Detail, welches ich jedem Tiguan Käufer wärmstens ans Herz legen möchte:
Die adaptiven LED Scheinwerfer (Active Lightning genannt), welche die Nacht zum Tag werden lassen. Dank klugem Fernlichtassistenten wird der Gegenverkehr zuverlässig ausblendet und der Rest der Fahrbahn mit Fernlicht ausgeleuchtet. Wer einmal ein solches System genutzt hat, der will definitiv nichts anderes mehr!
Nach 14 Tagen war es dann aber soweit und der VW Tiguan 1.5 TSI musste wieder nach Wolfsburg zurück. Nur sehr ungern habe ich diesen unaufgeregten Familien-SUV wieder hergegeben. Denn durch seine Gelassenheit sorgt er auf längeren Strecken für Ruhe auch im Innenraum für Fahrer und Familie. Nahezu perfekt verwöhnt er die Familie und ist als Familienwagen eine klare Empfehlung.
Wäre da nur nicht der hohe Preis des fast vollausgestatteten Testwagens. Dieser lag nämlich bei sehr stolzen 49.490 €. Damit das Familienbudget in einem erträglichen Rahmen bleibt, habe ich euch HIER mal meine persönliche Konfiguration vorgestellt.
Hier gibt es den Videobericht zum VW Tiguan 1.5 TSI Comfortline:
Technische Daten zum Testwagen VW Tiguan 1.5 TSI
Motor | 1,5 Liter Vierzylinder Turbo Benziner |
Getriebe | 7-Gang Doppelkupplung |
Leistung | 110kW / 150PS – 250Nm |
0 – 100 km/h | 9,2 s |
Vmax | 200 km/h |
Tankvolumen | 58 ltr |
Leergewicht / Zuladung | 1.550 kg / 443 – 604 kg |
Anhängelast | Max 1.300kg (Handschalter 1.800kg) |
Testverbrauch | 8,1 l/100km |
Einstiegspreis | 29.570€ |
Testwagenpreis | 49.490€ |