Mach einmal gibt es bekanntlich Tage, an denen es anders kommt als man denkt und sogar positiv überrascht wird. Solch ein Tag war ein Freitag, an dem ich nur ein normales Auto für mein Wochenende übernehmen wollte. Doch der nette Herr an der Fahrzeugausgabe eines orangefarbenen Autovermieters, meinte es besonders gut und bot mir einen besonderen Mercedes an.
Mercedes? Besonders? Ähm sorry, aber das passt nicht wirklich zusammen. Doch, wenn da drei Buchstaben an der Modellbezeichnung hängen, A M und G.
Ja, der Herr auf der anderen Seite des Tresens bot mir einen Mercedes A45 AMG an, welchem ich natürlich nicht widerstehen konnte.
Also mit dem Schlüssel hinaus ins Parkhaus und eine schwarze A-Klasse mit dem zum Schlüsselhänger gehörenden Kennzeichen erspäht.
Auf den ersten Blick wirkt der A45 AMG nicht viel anders, als die normalen Derivate dieser Baureihe. Doch auf den 2. Blick erkennt man, dass die Schürzen und Seitenschweller etwas eckiger und voluminöser erscheinen, was jedoch auch kein spezieller Hinweise auf das Topmodell dieser Baureihe ist. Grund hierfür liegt darin, dass Mercedes für jede A-Klasse optional die so genannte AMG-Line anbietet, die dieses Sport-Aerodynamik-Kit beinhaltet. Also schauen wir noch einmal genauer hin und erkennen im Kühlergrill einen dezenten AMG-Schriftzug, der ein erstes Anzeichen darstellt. Am Heck ist der A45 nicht nur durch den hier aufgeklebten Modellschriftzug erkennbar, sondern durch die zwei Endrohre der Sportabgasanlage ,welche statt oval, hier deutlich größer und rechteckig ausgeführt sind.
Im Innenraum dann dasselbe Spiel wie außen, hier erkennt man auch nur auf den 2. oder 3. Blick, dass man sich in einem Modell aus Affalterbach befindet. Einzig das Kombiinstrument mit einem Tacho bis 320km/h und der AMG typische Automatikgetriebe-Stummel sind hier die deutlichsten Merkmale.
Die verbauten Sportsitze mit den Leder-Microfaser Bezügen sind bequem, bieten genügend Seitenhalt, aber leider ist die Schenkelauflage zu kurz und nicht ausziehbar. Hier wäre eine Empfehlung zu Gunsten der optionalen AMG-Performancesitze auszusprechen.
Alles andere im Innenraum ist vertrautes A-Klasse Interieur, mit dem etwas zu hoch bauenden Armaturenträger, dem starr installierten Navigationsmonitor und der schlechten Rundumsicht. Die Verarbeitung ist jedoch durch die Bank sehr gut und alles fühlt sich hochwertig an, wobei für ein Fahrzeug der 60.000€ Klasse etwas mehr Luxus verbaut sein dürfte.
Das optionale Comand Navigationssystem übernimmt seine Aufgabe gut, auch wenn die Grafik der Kartendarstellung eher an das PC-Spiel „Die Siedler“ von 2002 erinnert.
Doch nicht das Interieur interessiert uns bei einem AMG, sondern das, was die Ingenieure hier unter die Haube gepflanzt haben.
Im Falle unseres A45 AMG, war Herr Füschel für diesen 2,0l 4-Zylinder Motor verantwortlich, der diesen Motor zusammengebaut hat. Ja, er hat seine Arbeit offensichtlich zwar gut gemacht, doch gibt es konzeptbedingt auch ein paar Schwächen.
Doch beginnen wir erst einmal mit dem Eckdaten dieses Triebwerks, welches derzeit der stärkste Serien 4-Zylinder Motor der Welt ist, mit einer Literleistung von sagenhaften 180PS. So ergibt sich maximal eine Leistung von 360PS und 450Nm Drehmoment. Laut Werk sorgt diese Kraft dafür, dass der A45 dank Race-Start (Launch Control) in nur 4,6s aus dem Stand auf Tempo 100km/h springt.
Springt ist hier auch fast schon wörtlich zu nehmen, wenn das Triebwerk im Race-Start von der Ampel weg katapultiert wird und der 2,0l Motor willig die Drehzahlnadel nach oben schnellen lässt und das 7-Stufen Doppelkupplungsgetriebe bei knapp 6.500U/min den nächsten Gang nachlegt.
Die Leistungsentfaltung ist dabei jedoch für viele Turbomotorfahrer komplett ungewohnt. Viel mehr werden sich Saugmotor-Fahrer an gute alte Zeiten erinnern. Denn unser AMG-Triebwerk braucht Drehzahlen und zwar relativ hohe Drehzahlen, um wirklich Power ab zu liefern. So fühlt sich der Motor, auf Grund des großen Turboladers und dem hohen Ladedrucks, unterhalb von 3.500U/min doch recht schlapp und eher nach gemütlichem Labrador an, denn als bissiger Terrier.
In den Anfängen der Turbozeiten, vor allem im Rallye Sport, galt es stets die Drehzahl so hoch zu halten, dass der Turbolader konstant Druck hatte. Denn war einmal nach einem falschen Schaltvorgang der Ladedruck weg, so dauerte es ewig, bis sich dieser wieder aufgebaut hatte und bis dahin dümpelte man praktisch kraftlos vor sich hin.
Ähnlich ist dies nun auch in unserem A45 AMG. Bei sportlichem Ritt über die Alpenstraße darf die Drehzahl nie unter die 4.000U/min fallen, damit ihm nicht zwischendrin die Leistung weg bleibt und man erst einmal ein paar Gedenksekunden an den Turbolader verliert. Ist diese alte Rallye-Methode aus den 80er Jahren beherzigt, dann stürmt der kleine Kompaktsportler von Mercedes dem Gipfel energisch entgegen, dass es eine wahre Freude ist.
Im Alltag ist diese Abstimmung allerdings dann nicht so 100%ig umsetzbar, weshalb der Motor hier weniger überzeugend ankommt. Dieses ausgeprägte Turboloch führt im Alltag oftmals dazu, dass das DCT-Getriebe einen Gang mehr runterschalten muss und den Motor unschön weit nach oben ausdreht. Aus diesem Grund ist der A45AMG nicht unbedingt das beste Daily-Drive Fahrzeug, welches man sich wünscht.
Zusätzlich kommt beim A45 AMG noch ein weiterer, alter Spruch zum tagen:
„Turbo läuft, Turbo säuft“
Genau so ist es auch bei unserem potenten A-Klassen Vertreter. Denn durch das häufig ausdrehen und ausnutzen der Leistung steigt der Verbrauch deutlich an, so dass 10-11 l/100km nicht selten auf der Anzeige stehen und auch beliebig weit nach oben getrieben werden kann, wenn man es sehr flott angehen lässt.
Hier geht das Konzept des Downsizing leider wieder einmal nicht auf. Wünschenswert wäre hier aus meiner persönlichen Sicht ein 2-Lader System mit einem kleinen Turbo für die unteren Drehzahlbereiche und dem großen Turbo für den Punch ab 4.000U/min.
Beim Getriebe, muss man den Mannen aus Affalterbach danken, dass sie es verstanden haben das Getriebe optimal dahingehend an zu passen, dass es im manuellen Modus genau das tut, was der Fahrer möchte. So werden Schaltvorgänge ohne merkliche Verzögerung rauf- oder heruntergeschaltet, je nachdem welchen Befehl der Fahrer mittels der Schaltpaddels am Lenkrad vorgibt.
Ein weiterer Punkt der zu überzeugen weiß, ist der anerzogene Sound, den schon die Serienabgasanlage an die Umwelt entlässt. Mit sonorem brummen klingt der 4-Zylinder angenehm kernig unter Last und wird dann von einem satten und lauten Rotzen beim Hochschalten kurz beendet, ehe wieder weiter gebrummt wird. Beim Herunterschalten mit Zwischengas, produziert der A45 ebenfalls ein sattes kurzes brabbeln, was dem Fahrer ein Lächeln ins Gesicht zaubert und ahnungslose Passanten suchend umher blicken lässt.
Doch so schön der Sound eigentlich auch ist, es dürfte ruhig mehr und vor allem etwas lauter sein. Dafür bietet Mercedes-AMG ab Werk eine Performance Anlage an, bei welcher man durch aus das Kreuz setzen sollte, es sei denn man scheut Blicke oder aber will den Nachbar nicht neidisch machen.
Doch was wäre eine gute Motor-Getriebekombination ohne ein ebenso gutes Lenkungs- und Fahrwerksduo?!
Richtig, nichts bzw. nicht viel. Schließlich muss die enorme Leistung auch ordentlich auf die Straße gebracht werden. Dafür haben die Ingenieure bei AMG ein komplett neues AMG Sportfahrwerk entwickelt, welches neben dem Allradsystem 4-Matic, eine überarbeitete Dreilenkervorderachse mit steiferen Achsschenkeln und einer völlig neuen Elastokinematik ausgestattet. Bei der Lenkung hat man eine Sport-Parameterlenkung verbaut, die geschwindigkeitsabhängig arbeitet, aber ein starres Übersetzungsverhältnis besitzt.
Das Resultat dieser kleinen, aber feinen Maßnahmen, beeindruckt zwar nicht auf den ersten Alltagskilometern, dafür aber nachhaltig beim 1. Ritt auf der Autobahn oder auf kurvigen Landstraßen. Während der A45 auf der Autobahn mit sauberem Geradeauslauf und extrem ruhiger Straßenlage überrascht, kann er auf kurvigen Bergstraßen den Fahrer vollends überzeugen. Hier arbeiten Fahrwerk und Lenkung perfekt zusammen und schaffen ein schier endloses Vertrauen zwischen Fahrer und diesem Benz. Willig und mit Präzision lässt sich der A45 in jeder Kurve positionieren. Dabei gibt es durch die direkte Lenkung ein optimales Feedback, so dass man stets genau weiß, was die Räder tun. Selbst bei schnellen Wechselkurven neigt die Lenkung nicht wie üblich zum verhärten, sondern bleibt gelassen straff und mitteilsam.
Wenn die Straße einmal schlecht und von Furchen durchzogen ist, so lässt sich dieses Fahrwerk einfach nicht aus der Ruhe bringen. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder gar im Ansatz zu versetzen, durcheilt der A45 AMG jegliche Biegung straff und mit kaum vorhandener Seitenneigung, dass der Fahrer verblüfft ist.
Es macht einfach richtig viel Laune den A45 durch eine kurvige Bergstraße zu jagen, da man sich in diesem Wagen einfach so extrem wohl fühlt und er ein rundum sicheres Gefühl gibt, welches man so kaum in dieser Art und Weise in modernen Fahrzeugen findet.
Glückwunsch AMG, ihr habt es geschafft, dass mir ein Mercedes Fahrspaß bietet!
Im Alltag führt diese sportlich, direkte Auslegung natürlich zu kleinen Nachteilen beim Thema Komfort. Trocken und mit nur dem nötigsten Restkomfort überrollt der A45 versenkte Kanaldeckel oder trommelt über Kopfsteinpflaster hinweg, wobei er die Bandscheiben angenehm verschont. Hier sind andere Sportwagen deutlich unharmonischer. Trotzdem neigt die Vorderachse ab und an gerne auf Querfugen zu einem leichten Trampeln bei ruhiger Fahrt, was man dem AMG jedoch schnell verzieht, so bald man wieder auf der Landstraße ist und das Fahrwerk genießen kann.
Ja, ich wurde etwas angefixt von diesem Mercedes-AMG! Ich hätte es nicht gedacht, aber Affalterbach schafft, was ich nie für möglich gehalten hätte, nämlich das ich in einem Stern Fahrspaß genießen kann! Zwar ist der Motor nicht so ganz mein Highlight, dafür aber dieses perfekte Sportfahrwerk, welches einfach eine tolle Rückmeldung gibt und dafür sorgt, dass man staunend hinterm Steuer, sich schon auf die nächste Kurve freut.
Bei Verbrauch und Preis hingegen vergeht einem dieses lächeln doch wieder recht schnell, denn unter 60.000€ wird vermutlich kaum ein A45 AMG die Werkshallen verlassen, da es doch einige Extras gibt, die man ihm mit auf die Reise geben sollte, wie etwa die Performance Abgasanlage oder aber die Performance Sitze.
Trotzdem bedanke ich mich für diesen tollen Ritt und warte nun sehnsüchtig auf mein nächstes AMG-Modell …
Hier die Daten zum Mercedes-Benz A45 AMG 4-MATIC
Motor | 2,0l 4-Zylinder Turbo Benziner |
Leistung | 360PS // 450Nm |
Testverbrauch | 10,3 l/100km |
Streckenprofil | 5% Stadt // 30% BAB (160-220km/h) // 65% Überland |
Beschleunigung | 4,6s auf 100km/h |
Vmax | 250 km/h (elektronisch abgeregelt) |
Testwagenpreis | 58.337 € |
Hier ist der Videobericht von mir & Let’s Drive:
[…] Im Test ? Mercedes-Benz A45 AMG 4-MATIC, gefunden bei ubi-testet.de (0.5 Buzz-Faktor) […]